Der frühere Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, fordert bei der Reform des Bürgergelds gesetzliche Änderungen, um Sozialmissbrauch durch kriminelle Banden einzudämmen. „Die Leute werden hierhin gefahren, in heruntergekommenen Immobilien gemeldet, gehen angeblich einem Minijob nach und erhalten dann Aufstockerleistungen“, sagte Scheele der „Süddeutschen Zeitung“.
„Das hat sich leider zu einem immer größeren Geschäftsmodell entwickelt“, meinte er mit Blick auf EU-Bürger etwa aus Rumänien und Bulgarien. Zumal auch noch die Kosten der Unterkunft übernommen würden. Er fordert, sich Paragraf 7 im Sozialgesetzbuch II vorzunehmen und Regelungen im EU-Recht nachzujustieren. „Die Bürgergeld-Reform muss den Erwerbstätigkeitsbegriff so sicher machen, dass man nicht mit fiktiven Beschäftigungsbescheinigungen ganze Bedarfsgemeinschaften finanzieren kann“, so Scheele. „Daher wundert es mich, dass kaum auf diesen Paragrafen geschaut wird.“ Wichtig sei auch, dass der Datenabgleich der Behörden verbessert wird, um Sozialbetrug vorzubeugen.
In besagtem Paragraf geht es um Ausschlusskriterien für den Empfang von Bürgergeldleistungen. Bei EU-Bürgern, die freizügigkeitsberechtigt sind, wird aber nicht näher definiert, in welchem Umfang sie in Deutschland arbeiten müssen, um hier ergänzende Sozialleistungen zu bekommen. Entsprechend hoch sind die Leistungen, wenn sie nur für Minijobs gemeldet werden. In Städten wie Duisburg und Hagen wird seit Jahren über Fälle berichtet, bei denen Menschen aus Rumänien und Bulgarien angebliche Minijobs annehmen und in baufälligen Immobilien gemeldet werden – für sie werden dann Aufstockungsleistungen, also Bürgergeld und Unterkunftskosten beantragt – diese werden aber oft von Organisatoren des Betrugssystems abkassiert, die auch oft als Vermieter der heruntergekommenen Wohnungen agieren, völlig überteuerte Mieten angeben, die vom Jobcenter dann zu ersetzen sind.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat zuletzt vorgeschlagen, auf EU-Ebene Änderungen herbeizuführen, damit nicht schon ein Minijob für EU-Bürger ausreicht, um zusätzlich Bürgergeld und Unterkunftskosten zu bekommen.
Das fordert auch Duisburgs SPD-Oberbürgermeister Sören Link, der am Sonntag in einer Stichwahl gegen den AfD-Kandidaten Carsten Groß antritt. Zuständig für die Reform ist Bundesarbeitsministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas, die selbst aus Duisburg stammt. „Die Armutsmigration aus Südosteuropa bringt organisierten Missbrauch von Sozialleistungen nach Duisburg. Das muss endlich ein Ende haben“, sagte Link der SZ. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sei es wichtig, dass der Staat konsequent gegen diese Strukturen vorgehe. „Wir kämpfen vor Ort mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen Sozialleistungsmissbrauch – es ist aber nur ein Kampf gegen Symptome, solange ein Minijob reicht, um in Deutschland das volle Paket Sozialleistungen zu beziehen“, sagte Link.
Allein durch die Annahme eines Minijobs könne ein EU-Zuwanderer das Recht auf ergänzendes Bürgergeld erhalten, sagte der Chef des Duisburger Jobcenters, Frank Böttcher, der SZ. Alles, was der Zuwanderer über den Minijoblohn hinaus benötige, zahle das Jobcenter. Das gelte auch für eine mitziehende Familie: „Wir können solche Anträge nicht ablehnen, soweit die übrigen Anspruchsvoraussetzungen wie beispielsweise Bedürftigkeit gegeben sind.“
In Duisburg beziehen laut Jobcenter rund 11.000 Rumänen und Bulgaren Bürgergeld. Böttcher berichtet von einem Unternehmen, das sehr viele Bulgaren und Rumänen beschäftigt habe, aber alle nur mit Minijobs. Und alle beantragten dann beim Jobcenter zusätzlich Bürgergeld. Noch schlimmer sei es, wenn der Arbeitgeber gleichzeitig Vermieter sei. Heruntergekommene Häuser würden für überzogene Mieten vollgepackt mit Zuwanderern vorwiegend aus Südosteuropa, so Böttcher. Für diese Miete müsse grundsätzlich das Jobcenter aufkommen, denn die Kosten der Unterkunft werden bei Bürgergeldempfängern übernommen. „Ein EU-Zuwanderer sollte erst dann einen Anspruch auf Leistungen haben, wenn er eine Tätigkeit mit deutlich höherem Umfang als ein Minijob annimmt“, unterstützt Böttcher den Vorstoß aus der Union.
Foto: via dts Nachrichtenagentur