Berlin (dts) – Nach der ukrainischen Gesetzesnovelle zur Unterstellung von zwei Antikorruptionsbehörden unter die Obhut des politisch bestimmten Generalstaatsanwaltes der Ukraine reißt die Kritik an der Entscheidung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nicht ab und könnte nun sogar den geplanten EU-Beitritt der Ukraine verzögern.
„Die Einschränkung der Unabhängigkeit der ukrainischen Antikorruptionsbehörde belastet den Weg der Ukraine in die EU“, sagte Außenminister Johann Wadephul (CDU) der „Bild“ (Donnerstagsausgabe). „Ich erwarte von der Ukraine die konsequente Fortsetzung der Korruptionsbekämpfung. Deshalb habe ich mich bei meinem Besuch in Kiew auch mit den Leitern der Behörden NABU und SAPO getroffen.“
Wie die „Bild“ weiter schreibt, telefonierte Wadephul am Mittwochmorgen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Andrij Sybiha und forderte ihn auf, die Korruptionsbekämpfung im Land konsequent fortzusetzen.
Zurückhaltender äußerte sich mit Blick auf den EU-Beitrittsprozess Regierungssprecher Stefan Kornelius. „Ein EU-Beitritt der Ukraine wird nicht morgen entschieden“, sagte er am Mittwoch in Berlin auf Anfrage der dts Nachrichtenagentur.
Die Ukraine stehe in einem fortlaufenden Entwicklungsprozess, auch was ihre EU-Fähigkeiten angehe. Sie habe bemerkenswerte Fortschritte gemacht im Sinne der Europäischen Union und die Entwicklung von gestern Abend werde jetzt beobachtet. „Wir haben unsere Erwartungen formuliert“, so Kornelius. „Ihre Auswirkungen müssen wir sehen und deswegen ist es deutlich zu früh, über irgendwelche Folgerungen zu spekulieren.“
In EU-Parlament sorgten die Beschlüsse der Ukraine unterdessen für scharfe Kritik. „Das ist ein eklatanter Vertrauensbruch“, sagte der EU-Abgeordnete Daniel Freund (Grüne), der am Dienstag mit einer kleinen Delegation des EU-Parlaments in Kiew war, dem „Spiegel“. „Die ukrainische Regierung gefährdet mit diesem Vorgehen den EU-Beitrittsprozess.“
Auch bei den Hilfsgeldern der EU für die Ukraine sieht er ein Problem. Mit der Ukraine-Fazilität unterstützt die EU das Land mit 50 Milliarden Euro bis 2027, so der Plan. „40 Prozent der öffentlichen Gelder der Ukraine kommen aus der EU“, so Freund. „Die EU will der Ukraine unbedingt helfen. Aber sie kann nicht weiter Geld überweisen, wenn sich das Land in eine falsche Richtung entwickelt“, mahnte er.
Der Vorsitzende des EU-Haushaltskontrollausschusses, Niclas Herbst (CDU), der in Kiew dabei war, kritisiert die ukrainische Regierung ebenfalls: „Wir sind als Freunde der Ukraine schwer besorgt.“ Und weiter: „Gerade, weil wir weiter unterstützen wollen und weil wir wollen, dass das Geld aus der EU auch wirklich ankommt, sind wir mit dem Schritt nicht einverstanden.“ Er warnte davor, das Vorgehen spiele den Kreml-Propagandisten in die Hände. „Die Ukraine hat viele Fortschritte gemacht, auf diesem Kurs muss sie bleiben.“
Auch der FDP-EU-Abgeordnete Moritz Körner kritisierte das Vorgehen scharf. „Ohne unabhängige Korruptionsbekämpfung gibt es keinen Platz für die Ukraine in der EU“, sagte er dem „Spiegel“. Selenskyj müsse das Gesetz dringend zurücknehmen. „Wer in die EU will, darf keine Angst vor unabhängigen Ermittlungen haben.“
Foto: Johann Wadephul (Archiv), via dts Nachrichtenagentur