Hamburg (dts) – Polizeibehörden in Deutschland gehen nach Einschätzung des Polizeiwissenschaftlers Rafael Behr bei heiklen Vorfällen wie Schussgebrauch durch eigene Beamte oft zu wenig offen mit der Öffentlichkeit um.
Zwar habe es diesbezüglich in den letzten Jahren Fortschritte gegeben, sagte Behr dem „Mannheimer Morgen“. Aber vor allem bei internen Angelegenheiten, zum Beispiel Schusswaffengebrauch, merke man oft, dass Präsidien „schmallippig“ werden. Präsidien würden in solchen Fällen häufig auf „laufende Ermittlungen“ verweisen. Das sei zwar mitunter berechtigt, diene aber auch dazu, sich Kritik zu entziehen. Es sei „zu oft so, dass sie nur zögerlich kommuniziert und sich die Richtung – nämlich Transparenz und Öffentlichkeit zuzulassen – verändert, sobald es darum geht, Einblicke in die eigene Innenwelt zu geben oder eigene Fehler einzuräumen“.
Behr kritisierte weiterhin, dass es Präsidien trotz der Professionalisierung der Pressearbeit weiterhin schwerfalle, ihr Informationsverhalten konsequent auf Transparenz auszurichten. „Man muss Dinge ausprobieren, schrittweise informieren – auch mal nur vorläufig: Was wir jetzt wissen, ist das und das. In zwei Stunden kann sich das aber verändert haben. Diese klare, transparente Kommunikation fehlt leider häufig“, kritisierte der Wissenschaftler, der an der Hochschule der Polizei Hamburg unter anderem zu Polizeikultur und dem Spannungsverhältnis zwischen Polizei und Öffentlichkeit geforscht hat.
Behr kritisierte, dass in „personalintensiven Pressestellen“ von Präsidien keine Journalisten oder ausgebildeten Pressesprecher arbeiten würden. „Anstatt dass man die Arbeit Fachleuten überträgt, die man in den Polizeibetrieb einbettet, machen das Polizisten, die mit Medien kaum Vorerfahrungen haben“, sagte er. Über Lehrgänge müssten Defizite beseitigt werden, die antrainiert worden seien.
„Die Ausbildung der Polizei läuft ansonsten immer unter der Devise: Ihr müsst objektiv berichten, ihr müsst neutral bleiben, ihr dürft euch, wenn überhaupt, nur zurückhaltend äußern. Kurzum: Information zurückzuhalten, Sprache zurückzuhalten. In der Öffentlichkeitsarbeit muss genau das Gegenteil getan werden. Man müsste viel souveräner Sprachbilder entwerfen, auf Szenarien eingehen und so weiter, um das Informationsbedürfnis der Menschen zufriedenzustellen“, sagte Behr. Die sich widersprechenden Anforderungen seien „ein strukturelles Problem, das oft zu Unsicherheit im Umgang mit Medien führt“.
Behr forderte, dass sich die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei weiter professionalisieren müsse. „Ich sehe die Notwendigkeit aber auch – und das ist als ein Appell an die Öffentlichkeit zu verstehen -, nicht alles Gesagte sofort auf die Goldwaage zu legen. Das nimmt der Polizei die Offenheit, Dinge so zu kommunizieren, wie man sich das wünscht“, sagte er.
Foto: Polizeidienststelle (Archiv), via dts Nachrichtenagentur