Berlin (dts) – Der CDU-Abgeordnete Johann Wadephul, der als künftiger Außenminister gehandelt wird, will bis zum Jahresende überprüfen, ob eine freiwillige Wehrpflicht ausreicht.
Zur Zukunft deutschen Streitkräfte bestätigte Wadephul eine Rechnung des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Carsten Breuer, der unlängst gesagt hatte, Russland werde möglicherweise 2029 in der Lage sein, die Nato in großem Maßstab anzugreifen, und die Bundeswehr brauche bis dahin zusätzlich 100.000 Soldaten und Reservisten. „Der Generalinspekteur hat sicher Recht, und deswegen haben wir als Union der SPD in den Koalitionsverhandlungen vorgeschlagen, sofort eine echte Wehrpflicht zu schaffen“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.
Dazu sei die SPD nicht bereit gewesen, und deswegen werde jetzt ein „ernsthafter Versuch mit der Freiwilligkeit“ gemacht. Dann werde man „sehr schnell feststellen müssen, ob das gelingt mit diesem Aufwuchs“ um immerhin 100.000 Soldaten. Union und SPD müssten sich da „spätestens zum Jahresende in die Augen schauen und überprüfen“, ob das gelinge. Zu den 40.000 Soldaten, welche die Bundeswehr jedes Jahr regulär rekrutiere, müssten „über vier Jahre je 25.000 zusätzlich“ kommen.
Wadephul glaubt, dass Russlands Präsident Wladimir Putin „die Hegemonie über Ostmitteleuropa anstrebt“. Man müsse „diese Möglichkeit sehr ernst nehmen“, sagte er.
Auf die Frage, ob Deutschlands Freiheit im Donbass verteidigt werde, antwortete er: „Definitiv. Es geht um uns alle.“ Es gehe auch um die Zukunft der Nato. Wenn man einen „klassischen Eroberungskrieg in Europa“ zulasse, „dann ist das Vertrauen darauf, dass wir bereit sind, unsere Freiheit zu verteidigen, in Frage gestellt“, so Wadephul. „Dann steht auch in Frage, ob wir überhaupt bereit sind, in der Nato zusammenzustehen.“
Auf die Frage, ob Deutschland sich an einer „Koalition der Willigen“ beteiligen solle, um mit eigenen Truppen einen Waffenstillstand in der Ukraine zu sichern, sagte er nur, Berlin solle „zumindest bei der Konzeptionierung“ dabei sein. „Wie wir das konkret gestalten, das muss man dann entscheiden.“
Auch in Bezug auf die Aufnahme der Ukraine in die Nato gab Wadephul sich vorsichtig. „Wir sollten dazu stehen, dass die Ukraine auf einem unumkehrbaren Weg in Richtung Nato ist“, verlangte er. Aber es gebe klaren Widerstand aus den USA. „Deswegen würde ich jetzt nicht empfehlen, diese Frage zu einem zentralen Punkt auf dem nächsten Nato-Gipfel zu machen. Der Gipfel muss das Signal sein, dass die Nato erstens zusammensteht und zweitens auch zur Ukraine steht.“
Wadephul ließ offen, ob Deutschland sich den Ländern anschließen solle, die der Ukraine Kampfflugzeuge liefern. „Bei Flugzeugen käme dann die technische Frage auf, ob unsere deutschen Maschinen genau das sind, was man braucht.“ Auf den Hinweis, dass Flugzeuge geeignet seien, russische Luftangriffe auf die Ukraine zu stoppen, erwiderte er: „Deshalb haben Sie jetzt von mir ja auch kein Nein gehört.“
Über den US-Präsidenten Donald Trump und seinen Vize JD Vance sagte Wadephul, deren Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus habe er „erschütternd“ gefunden, „und zwar emotional wie intellektuell“. Er hätte „nicht gedacht, dass man zu einer derartigen Umkehrung der Verantwortung für den Krieg in der Ukraine kommen könnte, wie das in diesem Wortwechsel im Oval Office geschehen ist.“ Zu Vance, der auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Wertegemeinschaft mit Europa infrage gestellt hatte, stellte er fest, dessen Auftritt sei „ein Angriff auf unser freiheitlich demokratisches System“ gewesen.
Leider gebe es auf vielen Feldern „Distanz“ zu den USA. Die Art, wie Meinungsfreiheit neuerdings in den USA durchbuchstabiert werde, sei völlig anders als in Europa. „Wir würden nicht Journalisten von Pressekonferenzen des Regierungschefs ausschließen oder politisch unliebsamen Universitäten die Mittel streichen. Wir würden nie den Betreiber einer Informationstechnologie wie Elon Musk so durch die Regierung protegieren, wie wir das in den USA sehen“. Auch die Abschiebeflüge im Konflikt mit der Justiz machten „Sorgen“.
Es gebe genug Anlass, „als Europa souverän zu werden.“ Dass Trump nach dem Russischen Raketenangriff auf die ukrainische Stadt Sumy am Palmsonntag der Ukraine die Schuld am Krieg gegeben hatte, kommentierte Wadephul mit den Worten, es sei „eindeutig, dass Putin diesen Krieg vollständig zu verantworten hat. Alles andere können wir nicht mittragen.“
Wadephul ließ zwar keine Zweifel an der Gültigkeit des nuklearen Schutzversprechens der USA für Europa erkennen, wies aber auch den Gedanken nicht zurück, dass es eines Tages neben der nuklearen Teilhabe mit den USA auch eine nukleare Teilhabe mit europäischen Atommächten geben könnte. „Wir sollten uns mit Frankreich und Großbritannien jetzt zusammensetzen“, sagte er. „Das muss auf die Tagesordnung. Wir werden zwar nicht in wenigen Jahren zu einer eigenständigen europäischen Abschreckung kommen, aber wenn man nie anfängt, wird man nie fertig.“ Der von den Franzosen geprägte Begriff der „Souveränität Europas“ sei ein Begriff „mit dem wir arbeiten sollten“.
Wadephul kommentierte auch die Kontroversen in der CDU über die Unterstützung der Ukraine sowie die Forderung des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU), demnächst wieder russisches Gas zu importieren. Er stellte fest, ihm sei da „aus westdeutscher Sicht manchmal zu viel Rosarot im Farbenspektrum mancher ostdeutschen Freunde“ und „zu wenig Bereitschaft, das Aggressive an Russland zu erkennen“. Kretschmer und er hätten „viel miteinander gesprochen, mit unterschiedlicher Meinung, aber freundschaftlich und konstruktiv“.
Foto: Johann Wadephul (Archiv), via dts Nachrichtenagentur