Recherchen der ON-Redaktionen haben hervorgebracht, dass Ärzte und Ärztinnen am Bundeswehrkrankenhaus Westerstede nicht an der Corona-Prämie beteiligt wurden. Der Bund hatte mit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz die Möglichkeit geschaffen, dem besonders durch die Corona-Pandemie betroffenen Pflegepersonal an Krankenhäusern eine Prämie auszuzahlen. Auch eine Auszahlung an Ärzte und Ärztinnen wurde nicht ausdrücklich verboten. Jedoch haben unsere Recherchen ergeben, dass im Vergleich zu anderen Krankenhäusern im Bundeswehrkrankenhaus Westerstede keine Prämie an approbiertes Personal gezahlt wurde.
Die vergangen eineinhalb Jahre waren für die Bediensteten in Krankenhäusern alles andere als einfach. Die Corona-Pandemie hat schonungslos offen gelegt, wie wichtig Pfleger und Pflegerinnen, sowie Ärzte und Ärztinnen im Krankenhaus für das Gesundheitssystem sind. Dieses Personal stand und steht während der Pandemie unter enormen Belastungen. Um die Arbeit des Pflegepersonals zu würdigen, schuf der Bund im vergangenen Jahr die Möglichkeit, eine Prämie für die besonders von der Corona-Pandemie betroffenen Krankenhäusern auszuzahlen. Auch wenn man meinen würde, dass nahezu jedes Klinikum mit seinen Mitarbeitern eine Sonderzahlung für die geleistete Arbeit verdient hätte, grenzte der Gesetzgeber eine Auszahlung klar ein.
Eine Prämienzahlung entstand nur, wenn das (Bundeswehr-)Krankenhaus in einem bestimmten Zeitraum eine festgelegte Anzahl von Covid-19-Erkrankten behandelte. Zudem wurde im Gesetzestext ausdrücklich hervorgehoben, dass vor allem Mitarbeitenden im Pflegebereich von dieser Prämie profitieren sollten. Darunter fallen nicht nur Pflegende, sondern auch das Servicepersonal und Angehörige therapeutische Berufe. Darüber hinaus zahlten zahlreiche Kliniken die Prämie auch an Mitarbeitende in der Verwaltung aus. Ärzte wurden in diesem Gesetz nicht namentlich genannt, allerdings auch nicht konkret von den Prämien ausgeschlossen. Jedoch legten einige Kliniken diese etwas unglückliche Formulierung so aus, dass Ärzte an der sogenannten „Corona-Prämie“ nicht beteiligt wurden.
Wie unsere Redaktion aus Quellen am Bundeswehrkrankenhaus in Westerstede erfuhr, erhielten auch dort Ärzte und Ärztinnen keine Prämie, obwohl es rechtlich möglich gewesen wäre. „Das Krankenhausfinanzierungsgesetz eröffnet in Paragraph 26 d die Möglichkeit, die Sonderzahlungen an Pflegende und andere Beschäftigte zu zahlen. Zwar führt der Gesetzgeber in der Begründung aus, Ärztinnen und Ärzte nicht daran teilhaben lassen zu wollen, er hat dies aber nicht entsprechend normiert. Aus unserer Sicht verbieten sich Sonderzahlungen an Ärztinnen und Ärzte somit nicht ausdrücklich. Es liegt im eigenen Interesse der Krankenhäuser, auch Ärztinnen und Ärzte an den Sonderzahlungen zu beteiligen“, so Sven De Noni, Geschäftsführer des Marburger Bundes Niedersachsen.
Während also approbiertes Personal des Bundeswehrkrankenhauses in Westerstede leer ausging, erhielten andere Mitarbeitende im Homeoffice Sonderzahlungen. Im Gegensatz dazu, wurden Ärzte und Ärztinnen zum Beispiel am städtischen Klinikum Braunschweig und Vinzenzkrankenhaus Hannover an der Sonderzahlung beteiligt. Auch das Josef-Hospital Delmenhorst und die Burghofklinik Rinteln zahlten die Prämie an alle Mitarbeitenden aus. Mit dem Evangelischen Krankenhaus Oldenburg hatte der Marburger Bund als zuständige Gewerkschaft zudem für Ärztinnen und Ärzte erfolgreich eine Corona-Sonderzahlung verhandelt.
Das Vorgehen im Bundeswehrkrankenhaus Westerstede begründet das Bundesverteidiungsministerium mit folgendem Statement: „Der zur Auszahlung zur Verfügung stehende Betrag soll an diejenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verteilt und ausgezahlt werden, welche einer besonderen Belastung im Zusammenhang mit der Pflege/Behandlung von an Covid-19 erkrankten Patientinnen und Patienten ausgesetzt waren. Es wurde entschieden, Sonderzahlungen an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundeswehrkrankenhauses zu leisten, mit Ausnahme des approbierten Personals und des Personals, welches im Betrachtungszeitraum (1. Juni bis 31. Dezember 2020) nicht im Bundeswehrkrankenhaus tätig war, also abwesend war, z. B. wegen Elternzeit, dauernder Erkrankung, Kommandierung oder Einsatzes.“
Die Höhe der Sonderzahlungen im Bundeswehr Krankenhaus Westerstede wurden in drei Gruppen gestaffelt, hierzu wurde ein Grundbetrag berechnet. Die höchste Summe, den dreifachen Grundbetrag, erhielt das Personal der Gruppe eins, das besonders belastet war durch die Behandlung von mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Patientinnen und Patienten (analog zur ersten Corona-Prämie nach § 26 a KHG), dies sind 618,77 Euro. Den zweifachen Grundbetrag erhielt das Personal der Gruppe zwei, dies sind Pflegekräfte im Sinne von Gesundheits- und Krankenpfleger, Stationshilfen und Helfer im Pflege- und Funktionsdienst, die in den weiteren bettenführenden Abteilungen eingesetzt waren, dies sind 412,51 Euro. Alle weiteren Mitarbeitende des Bundeswehrkrankenhauses sowie bestimmte Mitarbeitende des Bundeswehrdienstleistungszentrums (Gruppe drei) erhielten den einfachen Grundbetrag, dies sind 206,26 Euro.
Warum nahezu alle Mitarbeitenden im Bundeswehrkrankenhaus Westerstede eine Sonderzahlung erhielten und das approbierte Personal keine, obwohl dieses auch infizierte Patientinnen und Patienten behandelte, beantwortete das Verteidigungsministerium nicht. Für Christian Dürr, der für die FDP im Bundestag sitzt und auch in diesem Jahr für den Oldenburger-Bezirksverband um den Einzug in das Parlament kandiert, ist dieses Vorgehen nicht nachvollziehbar: „Wenn den Ärztinnen und Ärzten rechtlich ein Corona-Bonus zusteht, dann müssen sie diesen auch bekommen. Das steht außer Frage. Ich bin der Meinung, dass man zwischen den Angestellten in den Kliniken keinen Unterschied machen darf. Ohne den Einsatz des Krankenhauspersonals hätten wir die Pandemie niemals in den Griff bekommen. Das muss sich auszahlen. Das Problem in Westerstede zeigt aber, dass die Prämien von Anfang an der falsche Weg waren, weil es immer Menschen gibt, die leer ausgehen. Deswegen haben wir als FDP früh gefordert, die Bürger dauerhaft zu entlasten. Dann hätten alle Beschäftigten im Krankenhaus etwas davon gehabt, egal ob Ärztin, Pfleger, Reinigungskräfte oder Verwaltungsmitarbeiter.“
Ähnlich sieht es auch die seit mittlerweile 15 Jahre in Oldenburg lebende Amira Mohamed Ali. Die Fraktionsvorsitzende der Linken äußert gegenüber der ON-Redaktion auch ihren Unmut über die Bundesregierung: “Ich finde es richtig, wenn Beschäftigte einen Bonus für ihren besonderen Einsatz und die besonderen Risiken in der Corona-Zeit erhalten. Im Krankenhaus sollte das für alle Beschäftigten gelten. Für das Pflegepersonal genauso, wie für Ärzte, Reinigungskräfte oder Küchenhilfen. Leider hat die Bundesregierung es versäumt, die Krankenhäuser mit entsprechenden Mitteln auszustatten, damit dies auch geschehen kann. Es ist ein Hohn, dass die Bundesregierung nicht einmal in der Corona-Krise dafür gesorgt hat, dass Krankenhäuser sich keine Sorgen mehr um ihre Finanzierung machen müssen. Es ist doch bezeichnend für den Zustand unseres Gesundheitssystems, wenn die Arbeitgeber dafür finanzielle Hilfe aus Berlin benötigen. Die Kliniken müssen endlich auskömmlich finanziert werden. Wir müssen weg vom Fallpauschalen-System, hin zur Selbstkostendeckung, bei der den Krankenhäusern die tatsächlichen Behandlungskosten erstattet werden.“
Wenn die Pandemie eines deutlich gezeigt hat, dann die Tatsache das es im Krankenhaus auf alle Mitarbeiter und Mitarbeitende ankommt. Auf die Ärzte und Ärztinnen, die gemeinsam um das Leben zahlreicher Menschen gekämpft haben. Auf das Reinigunspersonal, welches die Stationen unter hohen Auflagen reinigte und natürlich auch auf die Mitarbeitenden in der Verwaltung, die sich in schwierigen Zeiten um die administrativen Aufgaben kümmerten. Ein Krankenhaus ist mehr als eine One-Man-Show. Warum in einigen Kliniken und in dem Fall im Bundeswehrkrankenhaus Westerstede eine Berufsgruppe übergangen wurde, konnte das Bundesverteidigungsministerium gegenüber unserer Redaktion nicht eindeutig begründen.
Auch das Presse- und Informationszentrum des Sanitätsdienstes der Bundeswehr schiebt die nicht ganz eindeutige Formulierung des Gesetzestextes als Grund für die Nichtberücksichtiung der Ärzte an, übersieht dabei aber die Möglichkeit eben doch auch andere Berufsgruppen im Krankenhaus zu beteiligen : „Ausführungen zum KHG § 26 d verdeutlichen, an welche Berufsgruppe sich der Gesetzgeber im Falle der Prämienzahlung für die Behandlung von SARS-CoV-2-Patientinnen und Patienten richtet. Es ist die Berufsgruppe der Gesundheitsfachberufe, hier als “Pflegekräfte” benannt. Eine Zahlung von Prämien an approbiertes Personal, u.a. an Ärztinnen und Ärzte, hat der Gesetzgeber mit den Regelungen nicht vorgesehen. Daher konnte seitens BMVg auch keine Anordnung zur Prämienzahlung an Ärztinnen und Ärzte der Bundeswehr erfolgen.“
Für unsere Quelle am Bundeswehrkrankenhaus in Westerstede ist all das nur wenig nachvollziehbar und sieht in dieser Diskussion noch ein weiteres Problem: „Manche Leute meinen wir bekommen diesen Bonus nicht, weil wir als Ärzte ohnehin schon genug verdienen würden. In der Verwaltung gibt es allerdings Dienstgrade die mehr als durchschnittlich eingruppierte Assistenz- oder Stationsärzte verdienen und dennoch eine Corona-Prämie bekamen. Es ist ja kein Zuschlag für Geringverdiener, sondern eine Anerkennung für Menschen die tagtäglich mit dem Coronavirus in Kontakt kamen“, so der Arzt im Gespräch mit den Oldenburger Nachrichten. Ein bisschen Fingerspitzengefühl hätte dem Bundeswehrkrankenhaus in Westerstede somit durchaus besser zu Gesicht gestanden.
Was haltet ihr vom Vorgehen des Bundeswehrkrankenhauses? Hätte die Corona-Prämie an alle Mitarbeitenden des Klinikums ausgezahlt werden sollen oder haltet ihr es für richtig, dass Ärzte und Ärztinnen an einer Sonderzahlung nicht beteiligt wurden? Schreibt uns gerne eure Meinung!