Es ist ein sonniger Maiabend. Vor der Kulturetage steht eine Besucherschlange, die auf den Einlass in das Gebäude wartet. Heute tritt Faisal Kawusi mit seinem Comedyprogramm auf. Alles wäre wie immer, wäre da nicht eine Gruppe von 60 Menschen auf der anderen Straßenseite. Sie halten Transparente und Schilder, auf denen steht „Entschuldigung sieht anders aus!“ und „K.O.- Tropfen für Niemand!“ Was war geschehen? An Ostern hatte Joyce Ilg ein Foto mit dem Comedian Luke Mockridge gepostet und geschrieben: „Hat hier irgendwer von euch Eier gefunden? Ich hab nur ein paar K.O.-Tropfen bekommen“. Der Witz wurde von vielen Nutzenden kritisiert. Eine Nutzerin schrieb, sie sei durch K.O.-Tropfen fast ums Leben gekommen. Daraufhin kommentierte Kawusi ihren Kommentar mit: „Das nächste Mal werde ich die Dosis verstärken, versprochen.“
Für diesen Kommentar erhielt Kawusi weitere Kritik, die er zunächst in Instagram Storys von sich wies, bis er sich dann in der Sendung „Stern TV“ für seine Aussagen entschuldigte. Die Reaktionen auf seine Entschuldigung könnten unterschiedlicher nicht sein. Während es von Seite der Kulturetage heißt, man empfinde seine Entschuldigung als „aufrichtig“ und sei bereit diese zu akzeptieren, sehen die rund 60 Protestierenden dies anders. „Es geht uns nicht nur um diesen einen Satz, sondern es geht um den strategischen Umgang mit Diskriminierung insgesamt“, heißt es von Teilnehmenden, „Kawusi schlägt Kapital aus der Diskriminierung von marginalisierten Personen. Solchen Menschen sollte man keine Bühne bieten.“
Das Publikum, welches vor der Kulturetage steht, sieht das anders. „Er hat sich entschuldigt. Fehler kann jeder mal machen.“, so eine Zuschauerin. Dennoch findet sie den Protest in Ordnung: „Die vertreten ihre Meinung und wir unsere. Das ist okay.“
Nachdem die Türen der Kulturetage geöffnet sind und das Publikum bereits im Gebäude ist, tritt Kawusi aus der Tür. Er ist barfuß und geht direkt auf den Protest zu. Vor den Transparenten steht er und schaut die Menschenmenge reglos an. Dann bittet ihn die Polizei zurückzutreten. Die Demonstrant:innen mit denen ich zuvor gesprochen habe, beschließen mit Kawusi zu sprechen. Sie wollen ihren Standpunkt deutlich machen und wissen, wie ernst er seine Entschuldigung gemeint hat. Zunächst scheint es, als ob Kawusi an einem Dialog interessiert sei. Er geht auf die Aussagen seiner Gegenüber ein und bezeichnet sie als „vernünftig.“ Da platzt es aus einer Person heraus: „Das hat nichts mit Vernunft zu tun. Ich bin wütend.“ Sie erklärt, warum sein Kommentar auf Instagram gewaltverherrlichend gewesen sei, doch Kawusi lehnt dies ab. Nach wenigen Minuten brechen die Demonstrierenden das Gespräch ab und kehren zurück auf die andere Straßenseite.

Kawusi gibt sich unerschüttert. Es wäre deutlich geworden, dass die Gegenseite zu keinem vernünftigen Dialog im Stande sei. Diese seien „gegen die deutsche Verfassung und gegen den deutschen Staat.“ Als Motivation der Demonstrierenden vermutet er persönliche Traumata, die durch seinen Kommentar angesprochen wurden. Der Frage nach einer Aufarbeitung seiner Aussage weicht er aus. Den Vorschlag mit einem Teil seiner Gage einen gemeinnützigen Verein für Opfer von sexualisierter Gewalt zu unterstützen findet er gut „solange es ein Verein ist, der meine Weltsicht hat.“ Welche Weltsicht das ist, lässt er allerdings offen.
Nachdem Kawusi wieder im Gebäude verschwunden ist, frage ich die Protestierenden, wie sie sich nach dem Gespräch mit ihm fühlen. „Im Nachhinein bereue ich es“, heißt es von einer Person, „jetzt hat er seine PR-Fotos und seine Berichterstattung und das war alles, worum es ihm ging.“
Der Protest gegen Kawusi ist nicht der einzige dieser Art. Unter dem Motto „Keine Show für Täter“ soll der Auftritt von Luke Mockridge am 12.05.2022 in Bremen ebenfalls von einem Protest begleitet werden.