Lockerungen für Geimpfte und Genesene
Heute stimmte der Bundesrat dem Vorschlag zu, dass vollständig geimpfte Personen in Zukunft bestimmte Freiheiten erhalten sollen. Das bedeutet unter anderem, dass Geimpfte zukünftig nicht mehr als zusätzliche Person gezählt werden, wenn es um Kontaktbeschränkungen geht und das Ausgangsbeschränkungen für sie nicht mehr gelten. Diese Lockerungen wurden kontrovers diskutiert. Einige junge Menschen, die aufgrund der Impfpriorisierung noch keine Chance hatten, einen Impftermin zu erhalten, empfinden die neuen Regelungen als ungerecht.
„Es ist schlicht und ergreifend unfair, exklusiv für Geimpfte Lockerungen zu beschließen, bevor nicht allen Leuten ein Impfangebot unterbreitet wurde.“
So heißt es beispielsweise in einem Facebookkommentar unter einem Tagesschauvideo. Doch so einfach ist die Sache nicht, auch wenn die Frustration nachvollziehbar ist. Natürlich ist es kein gutes Gefühl weiterhin zuhause zu bleiben, während andere Menschen wieder ein Stück Normalität zurückerhalten. Der Alltag in der Coronapandemie ist für viele, insbesondere für Studierende, Auszubildende und Schüler:innen eine riesige Herausforderung, vor allem durch fehlende Sozialkontakte. Das Gefühl, Lebenszeit zu verlieren ist nachvollziehbar, aber wird dieses Gefühl besser, wenn mehr Menschen dieses Schicksal teilen? Ich glaube nicht. Zu wissen, dass andere genauso leiden, wie man selbst, macht die eigene Isolation nicht erträglicher. Es hat schlicht keinen Einfluss darauf. Die geforderte „Solidarität mit Ungeimpften“ ergibt keinen Sinn, denn sie verändert nichts. Zudem kommt hinzu, dass die Coronaregeln eine immense freiheitliche Einschränkung darstellen, die legitimiert werden muss. Wenn das für Geimpfte nicht mehr der Fall ist, ist es falsch sie weiterhin diesen Einschränkungen auszusetzen.
Der Begriff der Fairness, der hier so oft ins Spiel geworfen wird, geht von einer Gleichbehandlung aller aus, ohne Rücksicht auf individuelle Voraussetzungen zu nehmen. Wenn es für Geimpfte möglich ist, wenigstens ein kleines Stück Normalität zurückzuerhalten, ohne sich selbst und andere zu gefährden und dies für Ungeimpfte nicht möglich ist, dann bedeutet das, dass Ungeimpfte erstmal in den sauren Apfel beißen müssen. Dass ältere Menschen und chronisch Erkrankte zuerst geimpft wurden, liegt daran, dass eine Coronainfektion für sie ein viel höheres Risiko darstellt. Daher kann man auch nicht davon sprechen, dass jüngere Menschen heldenmütig und edel auf ihre Impfung verzichtet hätten. Sophie Passmann fasst es auf Instagram treffend zusammen, wenn sie sagt: „Es ist nicht so als hätten junge Leute entschieden, dass alte Leute vorgelassen werden. Das ist völliger Quatsch. Es gibt einfach Leute, die eher und schneller an einer Krankheit wie Corona sterben und das sind unter anderem alte und ältere Leute. […] Das heißt es gibt keinen Moment in dieser Argumentation, in der junge Menschen ernsthaft behaupten können, dass sie in irgendeiner Art und Weise ausgehalten haben oder solidarisch waren. Sie haben sich schlicht und ergreifend an den logischsten Weg gehalten.“
Geimpfte Menschen sind den Ungeimpften keine Solidarität schuldig. Sie müssen nicht zuhause bleiben und weiterhin sozial isoliert sein, damit es fair zugeht, sondern sollen bitte alle Lockerungen und Erleichterungen bekommen, die (in einem sicheren Rahmen) möglich sind und genau das tun, was hoffentlich bald für alle wieder möglich ist, nämlich ohne Einschränkungen und Kontaktverbote leben.