Glaube und Corona – Wie geht es dir, Oldenburg? Teil 3: Islam
Nicht nur die Osterfeiertage nähern sich. Schon seit dem 27. März feiern Juden auf der ganzen Welt Pessach, um an den Auszug der Israeliten aus Ägypten zu erinnern. Das Fest dauert eine Woche an und gehört zu den wichtigsten der Glaubensgemeinschaft. Auch der Ramadan, der islamische Fastenmonat, beginnt am 12. April. Genau der richtige Zeitpunkt also für die Oldenburger Nachrichten, sich bei den verschiedenen Gemeinden in Oldenburg umzuhören. Wie geht es Ihnen in der Corona-Zeit? Wie leben Sie Glauben und Religion während der Pandemie?
Teil 3: Der Islamische Kulturverein Oldenburg
In der Islamischen Glaubenslehre ist der Glaube an eine göttliche Vorbestimmung fest verwurzelt. Viele Muslime glauben deshalb, dass es keinen Zufall oder Glück gibt. Dies lässt sich auch im Bezug auf das Corona-Virus verstehen, sagt Amir Wudel, Vorstandsvorsitzender des Islamischen Kulturvereins Oldenburg (IKO): „Eine Krankheit wird als Prüfung von Gott angesehen. Wer diesen Zustand aushält, wird für seine Geduld belohnt“.
Die Islamische Geschichtsschreibung enthält viele Referenzen zu den Themen Krankheit und Epidemien. Gleichzeitig findet man dort auch Verhaltensregeln für Muslime, wie etwa sich von Gebieten fern zu halten, die von einer Epidemie befallen sind. Darin steht zudem die Aussage, dass es für jede Krankheit Heilmittel gibt, sodass der Mensch motiviert werde, sich darum zu bemühen. „Der Islam erkennt sowohl die Vorbestimmung als Willen Gottes als auch die eigene Handlungsfähigkeit. Dies steht nicht im Widerspruch, denn der Mensch ist angehalten, sein Möglichstes zu tun, um sich vor der Ansteckung und Verbreitung von Krankheiten zu schützen“, fasst Amir Wudel zusammen.
Die Coronapandemie ist in der Gemeinde des Islamischen Kulturvereins auf verschiedene Weisen präsent. Im IKO-Vorstand sowie unter den Gemeindebesuchenden gibt es einige Mediziner:innen. Sie sensibilisieren die Gemeinde für die Corona-Regeln, gerade im Bezug auf den Ramadan, sagt Wudel: „Beim ‚normalen‘ Ramadan gibt es regelmäßig das gemeinschaftliche Fastenbrechen, wobei viele Menschen anzutreffen sind. Für uns sind diese Veranstaltungen sehr bedeutend. In diesem Jahr bieten wir sie trotzdem nicht an, da wir uns erstmal auf das Nötigste konzentrieren wollen.“
“Spiritualität kann helfen, den kleinen Dingen des Lebens einen Wert beizumessen.”
In der vom Verein betriebenen Maryam Moschee (Alexanderstraße 74) finden Gottesdienste und Gebete nur unter strengen Hygieneauflagen und abgestimmt mit dem Gesundheitsamt statt. Der Vorstandsvorsitzende betont dabei die große soziale Dimension des Islams: „Unsere Gebete besitzen einen festen Rahmen und sind grundsätzlich für die Gemeinschaft angelegt. Sie werden nur aufgrund verschiedener Umstände, zum Beispiel eine große Entfernung zum Gebetsplatz, alleine verrichtet.“ Zu den Regeln gehört, dass sich maximal 35 Personen gleichzeitig in der Moschee aufhalten dürfen. „Normalerweise beten wir Fuß an Fuß, Schulter an Schulter in einer Reihe. Aktuell halten alle Betenden mindestens 1,5 Meter Abstand voneinander. Wir weisen ebenso alle Besucher:innen auf die Hygieneregeln hin, informieren über Veränderungen, und erinnern sie, stets darauf zu achten. Auch bitten wir vulnerable Personen regelmäßig, dass sie ihre Gebete zu Hause verrichten. Wir sehen uns als Teil der Stadt und können aktiv das Infektionsgeschehen durch unser Verhalten beeinflussen“, sagt Amir Wudel.
Am Anfang der Pandemie herrschte Unsicherheit und teilweise auch Angst unter den Gemeindemitgliedern, viele seien nur selten in die Moschee gekommen. „Das schwächt natürlich unsere Vereinsarbeit im Allgemeinen“, erzählt er. „Viele Themen, die eine Versammlung benötigen, können nur auf Distanz umgesetzt werden. Wir nutzen Videokonferenzen dafür, merken aber gleichzeitig, dass bei diesen Formaten nur bestimmte Personengruppen teilnehmen. Andere werden außen vorgelassen, und das mindert das Zugehörigkeitsgefühl, was wir natürlich nicht wollen. Daher mussten wir viele Dinge schlicht und ergreifend ‚einfrieren‘.“
Dennoch leiste der Glaube in Zeiten wie diesen einen großen Beitrag. „Natürlich spüren wir den Wunsch nach altgewohnter Normalität. Diese besondere Situation kann aber auch dazu führen, dass sich mehr Mensch um die Sinnhaftigkeit ihres Lebens Gedanken machen. Das geht in der heutigen, schnelllebigen und materialistischen Zeit häufig verloren. Spiritualität kann helfen, im Hier und Jetzt zu leben, den kleinen Dingen des Lebens einen Wert beizumessen, bei sich zu sein und sich selber wirklich kennenzulernen.“
Dieser Artikel ist Teil unserer Reihe “Glaube und Corona – Wie geht es dir Oldenburg?”. Hier findest du Teil 1 über die Jüdische Gemeinde Oldenburg, hier findest du Teil 2 über die Evangelische Kirche.